Eine Nacht im Kühlraum von  Therm-a-Rest®

Eine Nacht im Kühlraum von Therm-a-Rest®

Zoe Huden
Dieser Artikel wurde ursprünglich im April 2018 im Adventure Journal veröffentlicht. Wenn du nach einer Unterkunft in Seattle, Washington suchst, werden dir sicher einige ein Bungalow im angesagten Viertel Beacon Hill empfehlen. Andere raten dir vielleicht zu einem Zimmer in Capitol Hill oder direkt in der Innenstadt. Der beste Ort für eine Nacht in Seattle ist jedoch Container im Therm-a-Rest® Lager, der in einen Kühlraum umfunktioniert wurde. Hier schläfst du in einer Art menschengroßer Eiswürfelbox – kannst du dir etwas Bequemeres überhaupt vorstellen? Die in Seattle ansässige Marke Therm-a-Rest® hat Erfahrung mit Übernachtungen im Freien – und zwar schon seit 1972. Auf der Suche nach immer besseren Produkten für unvergessliche Nächte unter den Sternen schaffte sich Therm-a-Rest® 1995 einen Schiffscontainer an und verwandelte ihn in eine riesige Gefriertruhe. Hier werden neue Ausrüstungsgegenstände getestet, immer unter den gewünschten Temperaturbedingungen. Langjähriger Bewohner dieses eisigen Domizils ist eine 200.000 US-Dollar teure High-Tech-Puppe namens Hugh. Diese wurde von Thermetrics gebaut, einem in Seattle ansässigen Unternehmen, das Instrumente zur Messung und Bewertung der Wärmeleistung von Textilien, Bekleidung und Schutzbekleidung entwickelt. Der Dummy funktioniert folgendermaßen: Hugh hat eine Temperatur von ca. 36,5 Grad – das ist recht genau die Temperatur eines menschlichen Körpers. Die Puppe wird auf eine knapp 4cm dicke Schaumstoffunterlage gelegt – der Standard für alle weiteren Tests. Dann wird die Temperatur in der Kammer eingestellt. Die Puppe hält ihre Körpertemperatur und es wird gemessen, wie viel Energie dafür notwendig ist. So können alle Therm-a-Rest® Schlafsysteme optimiert werden – je weniger Energie Hugh verbraucht um seine Körpertemperatur zu halten, desto besser die Wärmeleistung des Schlafsystems. Therm-a-Rest® ist damit der einzige Produzent von Schlafsäcken und Isomatten, der eine eigene Kühlkammer und eine eigene High-Tech Testpuppe besitzt. Alle anderen Hersteller schicken ihre Produkte an die Kansas State University, wo sie unter ähnlichen Bedingungen wie bei Therm-a-Rest® getestet werden. Therm-a-Rest Cold Chamber Aber auch Therm-a-Rest® lässt seine Produkte von der Kansas State University testen – eine zweite Meinung ist schließlich oft Gold wert. Auf die eigene Kältekammer möchte Therm-a-Rest® aber trotzdem nicht verzichten: So ist eine schnellere Forschung und Produktentwicklung möglich. Jeden Tag werden neue Daten ausgewertet und durch immer neue Tests wird die Leistungsfähigkeit der Produkte immer weiter optimiert. Es war eine etwas verrückte Idee, als ich mich dazu entschloss gemeinsam mit Hugh eine Nacht im Container zu verbringen. Die Kältekammer war etwa auf -11 Grad Celsius eingestellt – das ist verdammt kalt. Immerhin hatte ich ein für diese Temperaturen geeignetes Therm-a-Rest® Schlafsystem zur Verfügung: Einen Oberon™ Schlafsack (Limittemperatur: -18 Grad), eine NeoAir® XLite™-Schlafmatte (R-Wert: 3,2) und eine Z Lite™ SOL Schaumstoffmatte. Dazu auch noch ein komprimierbares Kissen. Gegen halb elf abends zog ich dann meine ultrawarme Helly Hansen Merinounterwäsche an und legte mich zu Hugh, meinem Zimmergenossen für diese Nacht. Ich war zu gleichen Teilen aufgeregt und besorgt, als ich mich in den Oberon™ Schlafsack kuschelte. Dabei trug ich zudem riesige Ohrenschützer – denn die Kompressoren, die die ganze Nacht liefen um die Temperatur konstant bei -11 Grad zu halten, waren ganz schön laut. Ich schloss den Reisverschluss und zog die Kapuze eng zusammen. In meinem Kopf tauchten Bilder von tiefgefrorenem Gemüse auf. Zu meiner Überraschung (und zu meiner Freude) wurde es im Schlafsack aber recht schnell angenehm warm, sodass ich schnell ins Reich der Träume hinüberglitt. Ich schätze, Hugh ist ebenso schnell eingeschlafen. Obwohl ich normalerweise wirklich nicht besonders schnell friere, hatte ich eigentlich erwartet eher wie ein Eiszapfen im Kälteraum zu liegen, als wirklich schlafen zu können. Ich habe schon öfters bei geringen Temperaturen gezeltet – das war nicht besonders schön. Nach einer guten Stunde schlaf legte ich allerdings nach einer Toilettenbesuch gegen Mitternacht meine Merinounterwäsche ab und schlüpfte nur im T-Shirt und in ganz normaler Unterwäsche zurück in den Schlafsack – mir war einfach zu warm. Zum einen wurde es im Schlafsystem sehr schnell warm, zum anderen wurde die Wärme auch perfekt gespeichert. Am Ende hatte ich den Reisverschluss am Oberon™ halb aufgezippt und schlief mit dem Kopf komplett außerhalb des Schlafsacks. Von Mitternacht bis ca. 6 Uhr morgens schlief ich also warm und gemütlich. Die Kälte war die komplette Nacht über also kein Problem. Die Kompressoren haben da schon eher gestört und waren für meine Tiefschlafphasen wahrscheinlich nicht gerade förderlich. Auch wenn ich wahrscheinlich am Morgen nicht komplett ausgeschlafen ausgesehen habe, hatte ich doch eine warme und komfortable Nacht. Was Hugh betrifft: Er ist kein Mann der großen Worte. Aber er kann verdammt gut zuhören.
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